Alle Forderungen des vzbv zur Bundestagswahl 2025
Die Themen im Überblick
BAUEN & WOHNEN
Bezahlbaren Wohnraum sichern
Mangel an bezahlbarem Wohnraum:
Besonders in Großstädten wird die Suche
nach bezahlbaren Wohnungen für Verbraucher:innen immer schwieriger. Da bezahlbarer Wohnraum knapp
ist, leben viele Menschen in Wohnungen, die eigentlich nicht ihren Bedürfnissen entsprechen.
Hohe Wohnkosten:
Der Umzug in eine neue Wohnung wird auch durch die
steigenden Mieten deutlich erschwert. Im Jahr 2022 musste jeder sechste Haushalt fast die Hälfte
des Haushaltseinkommens für die Kaltmiete aufbringen und galt damit allein durch die Wohnkosten
als finanziell überlastet.
LÖSUNG
-
Beim Neubau einen Fokus auf bezahlbaren Wohnraum legen:
Neubauoffensiven müssen sich auf bezahlbaren Wohnraum und den sozialen Wohnungsbau konzentrieren. Die Bundesmittel müssen dafür deutlich erhöht werden. Zudem braucht es Instrumente, um die Bodenpreise zu senken. -
Mietrecht verbessern:
Um weitere Mietsteigerungen zu verhindern, sollte in angespannten Wohnungsmärkten für einige Jahre ein Mietenstopp eingeführt werden. Zudem muss der Kündigungsschutz verbessert werden. Zahlen Mieter:innen bei fristgerechten Kündigungen ihre Mietschulden nach, sollte die Kündigung zurückgenommen werden (Schonfristzahlung). -
Sanierungskosten begrenzen:
Damit energetische Sanierungen von Mietwohnungen nicht zu Kostentreibern werden, muss die Modernisierungsumlage reformiert werden. Die Warmmiete darf infolge einer energetischen Modernisierung nicht steigen. - Eigenheime fördern:
Beim erstmaligen Erwerb oder Bau eines selbst genutzten Eigenheims sollte die Grunderwerbssteuer für private Haushalte reduziert werden. Die Maklercourtage sollte vollständig von den Verkäufer:innen getragen werden.
Energieeffizienz von Wohngebäuden verbessern
Hohe Energiekosten durch unsanierte Gebäude:
Verbraucher:innen,
die in unsanierten und energetisch ineffizienten Häusern leben, haben durch ihren hohen
Verbrauch auch hohe Energiekosten. Dies trifft insbesondere Menschen mit geringem Einkommen.
Immer mehr Haushalte können die hohen Kosten für Strom oder Heizung nicht mehr bezahlen und sind
von Energiearmut betroffen.
LÖSUNG
- Energetische Sanierungen priorisieren:
Die energetische Sanierung von Wohngebäuden muss politisch priorisiert werden. Der Fokus sollte auf den Gebäuden liegen, die energetisch am schlechtesten abschneiden. Dort kann mit den eingesetzten Mitteln am meisten erreicht und der Energieverbrauch deutlich reduziert werden. - Angemessene finanzielle Unterstützung sicherstellen:
Die Förderung energetischer Sanierungen muss aufgestockt, verstetigt und um eine soziale Komponente erweitert werden. Das gewährleistet eine verlässliche Finanzierung für Verbraucher:innen.
DIGITALES
Schlagkräftige Aufsicht für Online-Plattformen sicherstellen
Internet zunehmend als toxischer Raum wahrgenommen:
Ob
einkaufen, Musik hören, Nachrichten lesen oder mit Freund:innen in Kontakt bleiben
– an großen Internet-Plattformen kommen Verbraucher:innen im Alltag kaum vorbei.
Was das Leben an vielen Stellen erleichtert, hat jedoch auch eine Kehrseite. Durch
unsichere Produkte, unseriöse Händler, Verbreitung von Fehlinformationen und
Hassrede oder den Verlust der Privatsphäre fühlen sich Menschen verunsichert und
nehmen das Internet zunehmend als toxischen Raum wahr.
Fehlende Kontrolle von Plattformen:
Obwohl der Digital
Services Act (DSA) die Verantwortung von Online-Plattformen regelt und das
Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) ein erster Schritt zur nationalen Umsetzung ist,
zeigen Untersuchungen, dass die bestehenden Regeln auch von großen
Online-Plattformen bisher nur unzureichend umgesetzt werden.
LÖSUNG
- Schlagkräftige Aufsicht sicherstellen.
Um Verbraucher:innen vor intransparenten Geschäftsmodellen und Manipulationen zu schützen, muss eine effektive Aufsicht über alle Online-Plattformen eingerichtet werden. - Digitalpolitische Gesetze konsequent um- und durchsetzen:
Bei der Gestaltung künftiger digitalpolitischer Gesetze muss sichergestellt werden, dass diese konsequent umgesetzt und durchgesetzt werden. Dafür ist eine effektive Aufsichtsstruktur, die von europäischer über nationale bis hin zur föderalen und kommunalen Ebenen reicht, notwendig. Außerdem sollte die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung gestärkt werden. - Aufsicht bedarfsgerecht finanzieren:
Für eine dauerhafte und konsequente Aufsicht sind technische und personelle Kapazitäten erforderlich, die auch zukünftige Aufgaben wie die Überwachung des Artificial Intelligence Act (AI Act) bewältigen können. Diese neuen Strukturen und Aufgaben müssen finanziell bedarfsgerecht abgesichert werden, da die vorhandenen Mittel nicht ausreichen.
Zahlen, Daten, Fakten
100 Tage nach der Umsetzungsfrist des Digital Services Act (DSA) verwendeten
weiterhin manipulative Designtricks auf Websites.37
Anbieter wie TikTok, Amazon und Meta setzen ausgewählte Verpflichtungen des Digital Market Acts (DMA) nur
um.38
Aufsicht für KI-Anwendungen nutzerfreundlich gestalten
Manipulation durch KI: Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst den Alltag der Verbraucher:innen an immer mehr Stellen. Digitale Assistenten schlagen Musik, Serien oder Produkte vor. Versicherungsunternehmen analysieren das Verhalten und die Emotionen von Kund:innen, um Vertragskonditionen festzulegen. Dabei besteht die Gefahr, dass KI die Verbraucher:innen manipuliert und übervorteilt.
Mangelnde Aufsicht: Der europäische Artificial Intelligence Act (AI Act) legt fest, was Unternehmen mit KI tun dürfen und was nicht. In der nationalen Umsetzung droht jedoch, dass die Interessen und Rechte der Verbraucher:innen zugunsten der Unternehmen vernachlässigt werden.
Komplexe Beschwerdeverfahren: Der AI Act ermöglicht es, Verstöße bei einer nationalen Aufsichtsbehörde zu melden. Unklarheiten über die Zuständigkeit und komplizierte Verfahren können Verbraucher:innen jedoch überfordern und von Beschwerden abhalten.
LÖSUNG
- Europäische KI-Regulierung verbraucherfreundlich umsetzen:
Bei der nationalen Umsetzung des AI Acts müssen Spielräume ausgenutzt werden, um die Aufsichtsstruktur verbraucherfreundlich zu gestalten. Das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) kann als Vorbild dienen. - Zentrale Beschwerdestelle einrichten:
Die nationale Aufsichtsbehörde muss als zentrale Beschwerdestelle dienen. Der Ablauf des Beschwerdeverfahrens muss für Verbraucher:innen einfach und nachvollziehbar sein. Dafür benötigt die Behörde ausreichende Ressourcen und Kompetenzen. - Nationalen KI-Beirat einrichten:
Ein unabhängiger nationaler KI-Beirat soll die Interessen der Verbraucher:innen vertreten, die nationale Aufsichtsbehörde beraten und Stellungnahmen veröffentlichen. Der Beirat sollte ausgewogen besetzt sein mit Vertreter:innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, ähnlich dem im AI Act vorgesehenen Beratungsforum.
Haftung bei KI regeln
Haftung bei Schäden durch KI unklar: Künstliche Intelligenz (KI) wird von immer mehr Unternehmen eingesetzt – auch in Bereichen, in denen es zu finanziellen oder materiellen Schäden kommen kann. Durch falsche Daten könnte das KI-System einer Versicherung etwa den Abschluss eines Vertrags verweigern oder deutlich verteuern. Wer in solchen Fällen zur Verantwortung gezogen wird, ist derzeit unklar.
Kein ausreichender Schutz: Die aktuellen Regeln erfassen Schäden durch KI nicht ausreichend. Verbraucher:innen können oft nicht erkennen, ob eine KI beteiligt war oder einen Fehler gemacht hat. Das erschwert die Forderung nach Schadensersatz. Eine Anpassung des Rechtsrahmens ist dringend notwendig, um ausreichenden Schutz zu gewährleisten.
LÖSUNG
- Schadensersatz erleichtern:
Die genauen technischen Vorgänge eines KI-Systems sind für Geschädigte meist undurchsichtig. Es muss daher einfacher werden, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ohne dass die Geschädigten die komplexen technischen Details nachweisen müssen. - Haftungsfragen klären:
Um den Schutz der Verbraucher:innen zu verbessern, sollte für KI-Systeme eine verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung) eingeführt werden. Für die Haftung des Anbieters sollte es dann ausreichen, wenn ein KI-System bei bestimmungsgemäßer Verwendung einen Schaden verursacht.
Sichere digitale Identität einführen
Übermäßige Datenweitergabe: Ob beim Buchen eines Mietwagens oder beim Eröffnen eines Bankkontos, wer online Verträge schließt, muss häufig einen Identitätsnachweis vorlegen, etwa einen Personalausweis oder Führerschein. Diese Nachweise beinhalten jedoch oft viele weitere sensible Information, die für den Vertragsabschluss nicht relevant sind.
Risiko von Datenmissbrauch: Die Offenlegung von Nutzerdaten und sensiblen Informationen erhöht für Verbraucher:innen das Risiko, dass ihre Daten missbräuchlich verwendet werden, beispielsweise durch Tracking oder gar Betrugsmaschen wie Identitätsdiebstahl.
LÖSUNG
- Digitale Identität einführen:
Es sollte eine sichere, nutzer- und datenschutzfreundliche digitale Identität geschaffen werden. Diese soll den Schutz der Privatsphäre gewährleisten, indem nur notwendige Informationen wie „Führerschein vorhanden“ oder „alt genug“ geteilt werden. - Datensicherheit bei digitalen Identitäten berücksichtigen:
Die digitale Identität muss über eine robuste Sicherheitsarchitektur verfügen und datensparsam sowie niedrigschwellig nutzbar sein. Ihre Nutzung sollte freiwillig erfolgen, um den Datenschutz der Verbraucher:innen zu gewährleisten.
Profilbildung zu Werbezwecken verbieten
Kategorisierung anhand von Schwächen: Beim Surfen im Internet hinterlassen Nutzer:innen Datenspuren, die von Unternehmen zu Profilen zusammengefasst werden. Darin werden Verbraucher:innen entsprechend ihren Schwächen kategorisiert, zum Beispiel „Rauchen“, „Glücksspiel“, „Gewichtsabnahme“ oder „fragile Senioren“.
Manipulation und Diskriminierung: Mit diesen Profilen können Konzerne gezielt Werbung schalten. Das gefährdet die Privatsphäre, ermöglicht Manipulation und begünstigt Diskriminierung. Insbesondere können solche Profile verwendet werden, um problematisches Verhalten zu fördern oder Menschen finanziell auszunutzen.
LÖSUNG
- Verbot der Profilbildung zu Werbezwecken:
Die Profilbildung für Werbung muss verboten werden. Verbraucher:innen sollten das Internet und ihre Smartphones nutzen können, ohne dass ihre Daten zu Werbezwecken gesammelt werden. Für ein solches Verbot sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen. - Beim Verbot neue Technologien berücksichtigen:
Das Verbot sollte neue technologische Entwicklungen wie KI berücksichtigen, um Verbraucher:innen auf dem digitalen Markt dauerhaft zu schützen.
Zu langsames Internet pauschal entschädigen
Unzureichende Internetgeschwindigkeit: Verbraucher:innen bekommen oft nicht die vertraglich vereinbarte Internetgeschwindigkeit, für die sie bezahlen. Ist die Bandbreite aber zu niedrig, kann es zu Problemen beim Verbindungsaufbau, zu ruckeligen Bildern und langen Ladezeiten kommen. Verbraucher:innen haben aktuell keine effektiven Mittel, sich dagegen zu wehren.
Minderung schwierig und intransparent: Das im Jahr 2021 eingeführte Minderungs- und Sonderkündigungsrecht sollte Abhilfe schaffen, wird jedoch von vielen Internetanbietern unzureichend umgesetzt. Die Minderungshöhe wird oft intransparent und zu niedrig berechnet, Messprotokolle der Bundesnetzagentur werden nicht anerkannt. Für Verbraucher:innen ist oft unklar, wie die festgesetzte Minderungshöhe zustande kommt.
LÖSUNG
- ePauschalen Schadensersatz für zu langsames Internet einführen:
Wird die vertraglich vereinbarte Geschwindigkeit nicht erreicht, sollten Verbraucher:innen einen pauschalen Schadensersatz von 15 Euro erhalten. Hierzu sollte das bestehende Minderungsrecht angepasst werden. - Sonderkündigungsrecht beibehalten:
Das ebenfalls bestehende Sonderkündigungsrecht sollte unverändert beibehalten werden. Das gibt Verbraucher:innen weiterhin die Möglichkeit, ihren Vertrag bei zu langsamer Bandbreite zu kündigen.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen unterstützen unkomplizierte Entschädigungen für zu langsames Internet.44
Recht auf schnelles Internet reformieren
Schlechte Internetversorgung: Besonders in ländlichen Gebieten haben viele Menschen schlechte oder gar keine Internetverbindung. Schnelles Internet gehört jedoch mittlerweile zur Grundversorgung wie Wasser oder Strom und ist ein entscheidender Faktor für die gesellschaftliche Teilhabe.
Komplizierter Rechtsanspruch: Seit dem Jahr 2022 haben Verbraucher:innen theoretisch einen durchsetzbaren Anspruch auf Breitbandversorgung. In der Praxis ist dieser jedoch schwer nutzbar, da bisher nur wenige Anbieter von der Bundesnetzagentur zur Umsetzung verpflichtet wurden. Selbst Menschen in Neubaugebieten müssen oft monate- oder jahrelang auf einen Internetanschluss warten. Zudem ist die Mindestbandbreite von 15 Mbit/s zu gering.
LÖSUNG
- Mindestbandbreite anheben:
Die Mindestbandbreite muss deutlich angehoben werden. Sie sollte bei 30 Mbit/s liegen, um den aktuellen Anforderungen an digitale Dienstleistungen gerecht zu werden. - Verfahren vereinfachen:
Der Prozess zur Durchsetzung des Rechtsanspruchs muss verbraucherfreundlicher gestaltet werden. Verbraucher:innen sollten beispielsweise selbst Messprotokolle einreichen können, anstatt auf aufwendige Messungen der Bundesnetzagentur angewiesen zu sein. - Einhaltung von Fristen sicherstellen:
Die Bundesnetzagentur muss sich strikt an die im Gesetz festgelegten Fristen halten. Hierfür sollten bessere Kontrollmechanismen, wie Berichtspflichten an den Bundestag und das zuständige Ministerium, eingeführt werden.
Netzneutralität bewahren
Netzneutralität in Gefahr: Wenn Filme auf Streaming-Plattformen ruckeln oder Seiten länger als normal laden, ist für Verbraucher:innen oft nicht nachvollziehbar, was der Grund dafür ist. Dahinter könnte eine Verletzung der Netzneutralität stecken. Sie stellt sicher, dass Verbraucher:innen auf alle Daten in der gleichen Geschwindigkeit zugreifen können. Immer wieder gibt es Bemühungen seitens der Industrie, die Regeln der Netzneutralität auszuhebeln.
Digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft: Die Abkehr von der Netzneutralität hätte zur Folge, dass Verbraucher:innen ihren Internetzugang nicht mehr so nutzen können, wie sie möchten. Stattdessen würden bestimmte Dienste vorrangig behandelt. Dadurch besteht die Gefahr, dass auf Inhalte nicht frei zugegriffen werden kann. Zudem könnte die Qualität mancher Dienste schlechter werden und Tariferhöhungen für bestimmte Dienste wären möglich.
LÖSUNG
- Netzneutralität sicherstellen:
Die Bundesregierung muss sich weiterhin für die Netzneutralität einsetzen. Alle geplanten Gesetzgebungsprozesse auf europäischer Ebene müssen dahingehend geprüft werden, ob die Netzneutralität gewahrt bleibt.
ENERGIE
Strompreis für private Haushalte senken
Hohe Strompreise: Verbraucher:innen zahlen weiterhin mehr für Strom als vor der Energiekrise. Diese hohen Preise machen den Umstieg auf elektrisch betriebene Heizungen oder E-Autos wenig attraktiv.
Ungleiche Kostenverteilung: Der Ausbau der Strominfrastruktur kostet Geld und kann für Verbraucher:innen zu noch höheren Strompreisen führen. Noch dazu sind die Kosten ungleich verteilt: In Regionen mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien zahlen Verbraucher:innen höhere Netzentgelte als in Gegenden, in denen die Erneuerbaren kaum ausgebaut sind.
LÖSUNG
- Strompreis deutlich senken:
Ausnahmen für die Industrie bei den Netzentgelten sollten steuerlich finanziert oder gestrichen werden. Zudem muss die Stromsteuer auf das von der EU vorgeschriebene Minimum reduziert werden. - Weitergabe sinkender Kosten sicherstellen:
Sinkende Rohstoff- und Großhandelspreise für Strom müssen an Verbraucher:innen weitergegeben werden. Dies sollte ein Monitoring-System sicherstellen. - Netzentgelte stärker angleichen:
Regionale Unterschiede bei den Netzentgelten müssen weiter gemindert werden. Das gewährleistet eine faire Stromversorgung und setzt Anreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Strominfrastruktur zukunftsfest machen
Steigender Stromverbrauch: Ob E-Autos oder Wärmepumpen, der Stromverbrauch vieler privater Haushalte wird künftig deutlich steigen, wofür die aktuellen Netze nicht ausgelegt sind. Gleichzeitig soll Deutschland unabhängiger von Energieimporten werden und seine Klimaziele erreichen. Das erfordert einen Ausbau von erneuerbaren Energien und Stromnetzen. Dieser Ausbau wird Kosten verursachen, die den Strompreis weiter steigen lassen können.
LÖSUNG
- Erneuerbare Energien kostengünstig ausbauen:
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze muss kostengünstig erfolgen. Auch die Speicherung von Strom darf nicht zum Kostentreiber werden. - Kosten durch mehr Flexibilität senken:
Stromerzeugung und -verbrauch müssen enger verzahnt werden. Dafür braucht es kluge Stromtarife, die den Strom bei einem großen Stromangebot für private Haushalte günstiger machen.
Wärmewende kostengünstig gestalten
Hohe Kosten für Fernwärme: Fernwärme gilt als ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Wärmeversorgung der Zukunft. Der Ausbau und der nachhaltige Umbau der Wärmenetze ist jedoch ein aufwendiger und derzeit teurer Prozess. Verbraucher:innen drohen dadurch in den kommenden Jahren zusätzliche Kosten.
Keine Transparenz bei Fernwärmepreisen: Die Preise für Fernwärme sind für Verbraucher:innen kaum nachvollziehbar und werden von Anbietern teils willkürlich festgelegt. Da es sich bei Wärmenetzen um natürliche Monopole handelt, können Kund:innen den Anbieter aber nicht einfach wechseln.
Steigende Gaskosten: Wenn immer weniger Verbraucher:innen mit Erdgas heizen, steigen die Netzentgelte für die verbleibenden Nutzer:innen. Das macht die Versorgung mit Gas deutlich teurer.
LÖSUNG
- Kostengünstigen Ausbau der Fernwärme sicherstellen:
Der Ausbau der Fernwärme muss kostengünstig erfolgen. Außerdem müssen Preiserhöhungen begrenzt werden. Auch neuen Kund:innen sollten attraktive Tarife angeboten werden. - Unabhängige Preisaufsicht für Fernwärme einführen:
Eine unabhängige Stelle sollte die Preisanpassungen für Fernwärme und insbesondere die verwendeten Preisindizes prüfen. Bei Verdacht auf fehlerhafte Erhöhungen kann die Stelle aktiv werden. Das stärkt das Vertrauen der Verbraucher:innen in Wärmenetze. - Kostenfallen für Gas verhindern:
Der Rückbau oder die Stilllegung von Gasnetzen sollte frühzeitig geplant werden. Der Staat muss sich an den Kosten beteiligen.
Private Stromerzeugung attraktiver machen
Teilen von selbst produziertem Strom unmöglich: Mit einer Photovoltaik-Anlage können Verbraucher:innen selbst Strom erzeugen. Diesen Strom dürfen sie jedoch nicht an andere, etwa Nachbar:innen, weitergeben. Das wäre beispielsweise dann sinnvoll, wenn zwei Nachbar:innen durch unterschiedliche Ausrichtung ihrer Photovoltaik-Anlagen zu unterschiedlichen Tageszeiten mehr Strom produzieren als sie selbst benötigen.
LÖSUNG
- Energy Sharing regulatorisch unterstützen:
Verbraucher:innen sollten Erneuerbare-Energie-Anlagen gemeinsam betreiben und den daraus erzeugten Strom vergünstigt nutzen können. Das ermöglicht Teilhabe und stärkt die Akzeptanz der Energiewende.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen haben ein grundsätzliches Interesse am Verkauf oder Kauf von Solarstrom innerhalb der Nachbarschaft.48
FINANZEN
Bonitätsbewertung fair und transparent gestalten
Bonitätsbewertungen beeinflussen Vertragsabschlüsse: Bonitäts-Scores durch Auskunfteien wie die Schufa haben erheblichen Einfluss auf den Verbraucheralltag. Unternehmen nutzen diese Scores, um zu entscheiden, ob und zu welchen Konditionen Verbraucher:innen einen neuen Handy- oder Kreditvertrag abschließen oder zu einem günstigeren Stromanbieter wechseln können.
Wenig Transparenz und schlechte Aufsicht: Wie genau sich Bonitäts-Scores zusammensetzen, ist für Verbraucher:innen kaum zu durchschauen. Das wird insbesondere dann zum Problem, wenn durch die Scores Verträge nicht oder nur zu schlechten Konditionen zustande kommen. Darüber hinaus gibt es nur wenige Auskunfteien, wodurch der Markt zu einer Monopolstruktur neigt. Der zuständigen Aufsicht fehlt es an Kapazitäten für tiefgehende Prüfungen.
LÖSUNG
- Transparenz im Bonitäts-Scoring erhöhen:
Bonitäts-Scores sollten für Verbraucher:innen transparent und fair gestaltet sein. Ein Scoring-Gesetz soll klare gesetzliche Vorgaben und effektive Kontrollmechanismen schaffen.
Zahlen, Daten, Fakten
Verbraucher:in aus dem Saarland berichtet:
"Wieso mein Score ist wie er ist, weiß ich nicht. Laut Rechnung der Schufa kann er „von bis“ sein. Ich hatte telefonischen Kontakt, der extrem unfreundlich war und man mir sagte, sie würden nichts Negatives über mich speichern. Mittlerweile habe ich ein zahlungspflichtiges Abonnement abgeschlossen, um Zugang zu meinen persönlichen und über mich gespeicherten Daten zu haben – eine Frechheit!" 24
Zahlungsverkehr zukunftsfest machen
Abhängigkeit von dominanten Zahlungsdienstleistern: Wer bargeldlos zahlen möchte, nutzt dafür meist Angebote von Zahlungsdienstleistern wie VISA, Mastercard oder PayPal. Diese Dominanz nicht-europäischer Anbieter schafft Abhängigkeiten, die die Kosten für Verbraucher:innen in die Höhe treiben können.
Bezahlen mit Bargeld immer schwieriger: Durch den Abbau von Geldautomaten und eine sinkende Akzeptanz in Geschäften wird das Bezahlen mit Bargeld für Verbraucher:innen immer schwieriger. Setzt sich dieser Trend fort, sind Menschen gezwungen, elektronisch zu bezahlen. Können oder wollen sie das nicht, werden sie von der wirtschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen.
LÖSUNG
- Bargeldzugang und -akzeptanz sichern:
Verbraucher:innen benötigen einen einfachen und erschwinglichen Zugang zum Bargeld, der gesetzlich abgesichert ist. Auch die Akzeptanz von Bargeld muss gesetzlich garantiert werden. - Digitalen Euro verbraucherfreundlich gestalten:
Der digitale Euro muss Verbraucher:innen einen echten Mehrwert bieten. Er sollte allgemein akzeptiert, kostengünstig, sicher und benutzerfreundlich sein und die Privatsphäre schützen.
Zahlen, Daten, Fakten
Für
der Verbraucher:innen hat sich der Weg, den sie für das Abheben von Bargeld zurücklegen müssen, in den letzten drei Jahren verlängert.25
Für
der Verbraucher:innen haben sich die Kosten für das Abheben von Bargeld in den letzten drei Jahren erhöht.26
der Verbraucher:innen konnten im vergangenen halben Jahr mindestens einmal nicht bar bezahlen.27
Langfristige Überschuldung durch Dispo- und „Buy-Now-Pay-Later”-Kredite verhindern
Rahmen von Dispokrediten unangemessen hoch: Überziehen Verbraucher:innen ihr Konto, rutschen sie in den besonders teuren Dispokredit. Die Höhe dieses Kredits wird derzeit ohne eine genaue Betrachtung der individuellen Ausgaben, sondern meist nur anhand des monatlichen Einkommens bestimmt. Es wird nicht sichergestellt, dass der voll ausgeschöpfte Disporahmen auch zurückgezahlt werden kann. Dies kann bei Verbraucher:innen zu enormen Kosten und den Eintritt in eine langfristiger Überschuldung führen, wenn der Kredit nicht zeitnah zurückgezahlt werden kann.
Risiko von „Buy-Now-Pay-Later“-Krediten unterschätzt: Heute kaufen, später bezahlen – das ist das Prinzip von „Buy-Now-Pay-Later“-Krediten, die mit wenigen Klicks im Online-Shopping durch Anbieter wie Klarna oder Paypal abgeschlossen werden können. Werden diese Kredite für den alltäglichen Bedarf genutzt, können sich Schulden schnell häufen. Das erhöht das Risiko der Überschuldung.
LÖSUNG
- Langfristige Überschuldung durch Dispokredite verhindern:
Kreditgeber müssen verpflichtet werden, die Höhe des Dispokreditrahmens so festzulegen, dass Verbraucher:innen ihn mit ihrem Einkommen abzüglich der regelmäßigen Ausgaben innerhalb von 12 Monaten zurückzahlen können. So kann eine langfristige Überschuldung von Verbraucher:innen verhindert werden. - Überschuldung durch „Buy-Now-Pay-Later“-Kredite verhindern:
Kreditgeber müssen verpflichtet werden, bei allen Krediten – inklusive „Buy-Now-Pay-Later“-Krediten“ – eine genaue Kreditwürdigkeitsprüfung vor der Vergabe durchzuführen. Dafür muss das besondere Risiko dieser Kreditform für Verbraucher:innen gesetzlich anerkannt werden.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen, die in den letzten drei Monaten einen Dispo-Kredit genutzt bzw. ihr Konto überzogen haben, rechnen damit, dass ihr Konto erst nach mehr als sechs Monaten wieder ausgeglichen ist.49
Verbraucherschutz durch bessere Finanzaufsicht stärken
Ansprüche nach Urteilen schwer durchsetzbar: Die Verbraucherzentralen erstreiten oft Gerichtsurteile zum Schutz der Verbraucher:innen am Finanzmarkt. Das Problem: Die Urteile richten sich in der Regel nur gegen einzelne Unternehmen. Anbieter, die nicht Teil des Prozesses waren, aber vergleichbare Verstöße begehen, halten sich häufig nicht an die Urteile. So kommen Verbraucher:innen mitunter nicht zu berechtigten Nach- oder Rückzahlungen.
Gesetzlicher Auftrag der Aufsichtsbehörde unklar: Es ist Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dem einen Riegel vorzuschieben. Allerdings ist der gesetzliche Auftrag der BaFin unklar formuliert, sodass Banken und Sparkassen ein Eingreifen der Behörde leicht verhindern können.
LÖSUNG
- Gerichtsurteile am Finanzmarkt allgemein verbindlich machen:
Die BaFin muss Gerichtsurteile zum Schutz von Verbraucher:innen einfach und schnell für allgemein verbindlich erklären können. Dazu gehört auch die Anordnung zur Rückzahlung zu Unrecht erhobener Gebühren. Die Maßnahmen, die der BaFin dafür zur Verfügung stehen, müssen präzisiert werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Im Jahr 2021 hat die BaFin Banken und Sparkassen per Allgemeinverfügung u. a. verpflichtet, ihre Kund:innen über eine unwirksame Klausel in ihren Verträgen zu informieren. Gegen diese Verfügung haben
Widerspruch eingelegt.50
Greenwashing am Finanzmarkt verhindern
Wenig Transparenz bei nachhaltigen Geldanlagen: Viele Verbraucher:innen wollen ihr Geld nachhaltig anlegen. Anbieter von Finanzprodukten werben daher immer öfter mit dem Begriff der Nachhaltigkeit. Dabei ist unklar, inwieweit die Anlagen in der Realwirtschaft tatsächlich einen nachhaltigen Effekt haben. Verbraucher:innen sind so nicht ausreichend vor Greenwashing geschützt.
LÖSUNG
- Verbraucher:innen vor Greenwashing am Finanzmarkt schützen:
Es braucht eine gesetzliche Definition von nachhaltigen Geldanlagen, die auf einem messbaren Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen aufbaut. Anbieter müssen für falsche Nachhaltigkeitsversprechen in die Verantwortung genommen werden.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen ist es wichtig, dass eine nachhaltige Geldanlage einen messbaren Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen leistet.51
Private Altersvorsorge reformieren
Zusätzliche private Altersvorsorge notwendig: Verbraucher:innen, die ihren Lebensstandard auch im Rentenalter halten wollen, sind auf eine private oder betriebliche Zusatzvorsorge angewiesen. Das Problem: Vor allem die staatlich geförderte Riester-Rente funktioniert nicht.
Teure Riester-Rente: Viele Riester-Verträge sind teuer, unflexibel und werfen nur wenig Rendite ab. Schlechte Produkte mit unnötigen Garantien und erhebliche Rechtsunsicherheiten kosten nicht nur Nerven, sondern bares Geld.
LÖSUNG
- Vorsorgefonds ermöglichen:
Die Riester-Rente sollte beendet werden. Stattdessen sollte ein öffentlich-rechtlich organisierter Vorsorgefonds eingeführt werden. Dieser sollte das Geld der Verbraucher:innen durch eine öffentliche Ausschreibung ohne Kapitalgarantien in Aktien anlegen. Verbraucher:innen sollten in den Fonds automatisch einbezogen werden, aber widersprechen können. Beim Renteneintritt sollten Verbraucher:innen die Wahl zwischen einer lebenslangen Zusatzrente und einem Auszahlungsplan haben.
Zahlen, Daten, Fakten
Im Durchschnitt müssen Riester-Sparer:innen über
alt werden, bevor sie inflationsbereinigt mehr als das eingezahlte Geld zurückerhalten.52
Die weit überwiegende Mehrzahl von 111 untersuchten Riester- und Rürup-Rentenversicherungen haben eine
des Inflationsausgleichs.53
Kosten für Basiskonten begrenzen
Basiskonten ohne Kostenobergrenze: Ohne Zahlungskonto können Verbraucher:innen kaum am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Um auch finanziell schwachen Menschen Teilhabe zu garantieren, müssen Banken seit dem Jahr 2014 ein Basiskonto für alle anbieten. Allerdings wurde keine Entgeltobergrenze eingeführt, was zu stetig steigenden Preisen des Basiskontos führt. Finanzschwache Verbraucher:innen werden so indirekt vom Angebot ausgeschlossen.
Finanzielle Belastung: Eine alleinstehende Person erhält derzeit 563 Euro Bürgergeld im Monat. Basiskonten können bis zu 27,80 Euro im Monat kosten, was rund 5 Prozent des Einkommens ausmacht. Für Menschen am Existenzminimum ist dies eine erhebliche Belastung, die sie sich oft nicht leisten können.
Basiskonto wird häufig nicht aktiv angeboten: Wissen Verbraucher:innen nichts von ihrem Recht auf ein Zahlungskonto, erhalten sie im Fall der Ablehnung oder Kündigung eines regulären Girokontos sehr häufig kein Basiskonto.
LÖSUNG
- Zugangsbarrieren zum Basiskonto abbauen:
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollte eine allgemeine Obergrenze für die Entgelte von Basiskonten und grundlegende Kontodienstleistungen einführen. So kann die finanzielle Belastung für Verbraucher:innen reduziert und der Zugang zu Konten abgesichert werden. Daneben sollten Anbieter verpflichtet werden, Basiskonten aktiv anzubieten.
Zahlen, Daten, Fakten
Bis zu
kostet im Jahr 2023 hierzulande ein Basiskonto. Deutschland ist damit im europaweiten Vergleich am teuersten.54
Teilverkäufe von Immobilien stärker regulieren
Komplexe Verträge bei Teilverkäufen: Wer ein Haus besitzt und Geld benötigt, kann bei diversen Anbietern einen Teil der Immobilie gegen eine Einmalzahlung veräußern. Verbraucher:innen erhalten bei diesen Teilverkäufen neben der Einmalzahlung ein Wohn- und Nutzungsrecht, müssen im Gegenzug aber ein unbefristetes variables Nutzungsentgelt an die Unternehmen zahlen. Die Risiken sind für Verbraucher:innen ohne Fachwissen aufgrund der hohen Komplexität der Verträge kaum zu erfassen.
Kein ausreichendender Schutz: Können Verbraucher:innen das Nutzungsentgelt nicht zahlen, verlieren sie ihr Wohnrecht. Sie müssen den verbleibenden Teil verkaufen und ausziehen. Eine Prüfung, ob Verbraucher:innen zahlungsfähig sind, findet vor Vertragsschluss nicht statt. Es fehlen Verbraucherschutzvorschriften aus dem Darlehens- oder Mietrecht.
LÖSUNG
- Risiken für Verbraucher:innen bei Teilverkäufen minimieren:
Verbraucher:innen, die einen Teil ihrer Immobilie verkaufen möchten, sollten dies mit einem überschaubaren Risiko realisieren können. Anbieter von Immobilienteilkäufen müssen einer Aufsichts- und Zulassungspflicht unterliegen. Vor Vertragsschluss muss geprüft werden, ob die Verträge in Bezug auf die individuellen Bedürfnisse und Kapazitäten der Verbraucher:innen geeignet sind.
Diskriminierenden Einsatz von KI bei Versicherungen ausschließen
Diskriminierung durch KI bei Gesundheitsprüfung: Bevor Verbraucher:innen eine Lebens- oder eine Krankenversicherung abschließen können, erfolgt eine Gesundheitsprüfung. Sie entscheidet darüber, ob und zu welchen Konditionen sie Versicherungsschutz erhalten. Diese Entscheidung könnte in Zukunft auch von einer KI vorbereitet oder sogar komplett durchgeführt werden. Das erhöht das Risiko, dass diskriminierende Aspekte in die Entscheidung einfließen.
LÖSUNG
- Plausibilitätskontrolle für KI im Versicherungsbereich einführen:
Bevor KI-basierte Anwendungen in Lebens- und Krankenversicherungen eingeführt werden, muss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) prüfen, ob der Algorithmus diskriminierungsfrei arbeitet.
Wohngebäudeversicherung an Klimakrise anpassen
Absicherung gegen Extremwetterereignisse notwendig: Extremwetterereignisse nehmen zu. Für Verbraucher:innen wächst damit die Notwendigkeit, sich gegen die Folgen von Naturgefahren wie Starkregen, Hochwasser und Erdrutsche abzusichern.
Versicherungsschutz nicht ausreichend: Bisher sind nur etwas mehr als die Hälfte aller privaten Hausbesitzer:innen gegen Elementarschäden versichert. Selbst wenn Verbraucher:innen sich absichern wollen, bekommen sie für bestimmte Naturgefahren, etwa für Sturmflut oder steigendes Grundwasser, keinen Versicherungsschutz.
LÖSUNG
- Schutz der Wohngebäudeversicherung ausweiten:
Um den Versicherungsschutz von Wohngebäuden vor Elementarschäden deutlich zu verbreitern, sollten alle Wohngebäudeversicherungen automatisch alle bisher schon versicherbaren Naturgefahren einschließen. Darüber hinaus sollten sie auch bei Sturmflut, Trockenheit und Austrocknung, steigendem Grundwasser sowie Durchfeuchtung greifen.
Zahlen, Daten, Fakten
Nur
der Wohngebäude in Deutschland verfügten im Jahr 2022 über eine Elementarschadenversicherung55
GESUNDHEIT
Patientenrechte stärken
Unzureichende Aufklärung über Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL): Arztpraxen bieten ihren Patient:innen immer wieder Selbstzahlerleistungen an, etwa spezielle Augen- oder Ultraschalluntersuchungen. Der Nutzen dieser Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) ist aber meist nicht belegt. Eine objektive Beratung über Behandlung und Kosten findet nicht immer statt. Teilweise ist der Kauf einer IGeL sogar die Voraussetzung für einen Termin, besonders bei Online-Buchungsportalen.
Schwierigkeiten bei Behandlungsfehlern: Bei Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler sind Patient:innen in einer schwachen Position, um ihre Rechte geltend zu machen. Sie müssen nachweisen, dass ein erlittener Schaden unzweifelhaft auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Das ist für Betroffene in der Praxis fast unmöglich.
LÖSUNG
- Standardisierte Informationsblätter für IGeL einführen:
Ärzt:innen müssen verpflichtet werden, neutrale Informationsblätter zu Wirksamkeit, Nutzen, Risiken und Alternativen bei allen IGeL-Leistungen auszuhändigen. Verzichtsformulare bei abgelehnten Selbstzahlerleistungen müssen verboten werden. - Beweislast bei Behandlungsfehlern gerecht verteilen:
Bei Behandlungsfehlern sollten Patient:innen nur nachweisen müssen, dass ein Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (über 50 Prozent) auf einen Behandlungsfehler zurückgeht. - Härtefall- und Entschädigungsfonds einrichten:
Ein Härtefall- und Entschädigungsfonds für Betroffene von Behandlungsfehlern muss eingeführt werden. Ähnlich wie in Österreich sollten Opfer zunächst durch diesen Fonds entschädigt werden, bis sie ihren Schadensersatz gerichtlich geltend machen können. - Beschwerdemöglichkeiten und Anlaufstellen schaffen:
Es müssen unabhängige Beschwerdemöglichkeiten und Anlaufstellen für Patient:innen geschaffen werden. Dort sollten sie Ansprüche aufgrund vermuteter Behandlungsfehler geltend machen oder sich über unzulässiges Verhalten von Ärzt:innen und anderen Leistungserbringer:innen beschweren können.
Zahlen, Daten, Fakten
der gesetzlich Versicherten haben in den letzten 12 Monaten mindestens einmal eine Selbstzahlerleistung in Anspruch genommen. 51 % davon haben zwischen 50 Euro und 250 Euro für solche Leistungen ausgegeben.56
der Selbstzahler:innen wussten nicht, dass es verbindliche Regeln gibt, an die sich Ärzt:innen beim Verkauf von Selbstzahlerleistungen halten müssen.57
Verbraucher:in aus Bayern berichtet:
"Mein Sohn (19) hat viele Muttermale und einige sollen regelmäßig überwacht werden. Nach acht Monaten Wartezeit, sagte man uns, dass er noch nicht 35 Jahre ist und somit das Screening selbst zahlen muss: 120 € sofort, sonst wird er nicht untersucht. Auch auf unseren Hinweis, dass er seit er 10 Jahre ist eine kostenlose Kontrolle hatte und er als Student familienversichert ist, gab es nur die Antwort: 'Zahlen oder keine Untersuchung'. Da wir hier im ländlichen Raum wenig bis keine Alternative haben, mussten wir wohl oder übel zahlen." 58
Diskriminierung bei der Online-Buchung von Arztterminen verhindern
Schlechtere Erreichbarkeit von Arztpraxen: Die Möglichkeit zur Online-Buchung von Arztterminen wird immer häufiger angeboten und genutzt. Allerdings begünstigt sie auch Diskriminierung von Patientengruppen. Die telefonische Erreichbarkeit vieler Praxen wird dadurch reduziert und erschwert digital weniger affinen Menschen den Zugang zur Sprechstunde.
Diskriminierung bei der Terminvergabe: Die Online-Buchungsportale bevorzugen teilweise Patient:innen, die bereit sind, eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) zu kaufen. Sichtbar wird in den Buchungsportalen außerdem, wie gesetzlich Versicherte bei der Terminvergabe gegenüber Privatpatienten benachteiligt werden, etwa durch weniger verfügbare Termine oder Hürden im weiteren Buchungsverlauf.
LÖSUNG
- Digitale Buchungsplattformen für Arzttermine gesetzlich regulieren:
Es muss gesetzlich sichergestellt werden, dass Patient:innen auf Buchungsplattformen nicht aufgrund ihres Versicherungsstatus oder ihrer Zahlungsfähigkeit benachteiligt werden. Ungerechtfertigte Ausfallhonorare und die Steuerung hin zu Selbstzahlerleistungen sind zu verbieten. Ausfallgebühren dürfen nicht einseitig und willkürlich festgelegt werden, insbesondere wenn der Termin krankheitsbedingt oder aus anderen unverschuldeten Gründen abgesagt werden muss. - Analoge Terminbuchungen erhalten:
Ärzt:innen und andere Leistungserbringer:innen müssen verpflichtet werden, die Terminbuchung auch telefonisch und vor Ort zu ermöglichen. Die Terminvermittlung über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen („116 117“) ist konsequent auszubauen und zu verbessern, statt das Spielfeld alleine den kommerziellen Anbietern zu überlassen.
Zahlen, Daten, Fakten
der Nutzer:innen eines Arztterminportals sind zuvor telefonisch nicht durchgekommen, bei 23 % war eine Terminvereinbarung per Telefon grundsätzlich nicht möglich.59
Auf dem Arztterminportal Jameda hat ein Augenarzt schnellere Selbstzahlertermine für gesetzlich Versicherte angeboten.
obwohl er in der Sprechstunde für gesetzlich Versicherte stattfinden sollte. Dagegen ging die Verbraucherzentrale NRW erfolgreich vor: Das Landgericht Düsseldorf untersagte dem Arzt, in den Sprechzeiten für Kassenpatient:innen gesetzliche Versicherte gegen Gebühr eher zu behandeln.60
Elektronische Patientenakte nutzerorientiert weiterentwickeln
Viele offene Fragen bei der elektronische Patientenakte (ePA): Die ePA soll Dreh- und Angelpunkt ärztlicher Behandlungen werden. Für Patient:innen bleiben derzeit aber viele Fragen offen: Wie niedrigschwellig können sie auf die Akte zugreifen und wie können sie beispielsweise verhindern, dass die Zahnarztpraxis von der Psychotherapiebehandlung erfährt?
LÖSUNG
- ePA unabhängig evaluieren und weiterentwickeln:
Die ePA muss nach der Einführung zeitnah und unabhängig evaluiert werden. Auftretende Probleme sollten schnellstmöglich und bei Bedarf auch gesetzlich gelöst werden.
Analogen Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherstellen
Digitale Gesundheitsangebote hängen manche ab: Videosprechstunden, elektronische Patientenakten und digitale Terminvereinbarungen können für Patient:innen praktisch sein. Allerdings könnten die Angebote Menschen, die digital weniger affin sind, künftig vor große Hürden stellen. Sie drohen von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten zu werden.
LÖSUNG
- Analogen Zugang zur Gesundheitsversorgung garantieren:
Im Patientenrechtegesetz muss ein gleichberechtigter analoger Zugang zur Gesundheitsversorgung verankert werden. Darüber hinaus sollte dieser Diskriminierungsschutz in allen Digitalgesetzen im Gesundheitsbereich festgeschrieben werden.
Qualität von Krankenkassen transparent machen
Qualität von Krankenkassen kaum transparent: Wollen gesetzlich Versicherte ihre Krankenkasse wechseln, stehen ihnen dafür keine unabhängigen Vergleiche zur Verfügung, die auch die Qualität der Kassen berücksichtigen. Gängige Vergleichsportale geben meist nur Auskunft über Preisunterschiede und einzelne, teils umstrittene Zusatzleistungen. Wichtiger ist für viele aber die Bearbeitungsdauer der Krankenkasse bei Anträgen und Widersprüchen oder wie gut die Kasse über Leistungen sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote informiert.
LÖSUNG
- Unabhängiges Vergleichsportal für Kranken-und Pflegekassen einführen:
Dieses Portal sollte geeignete Kennzahlen zur Qualität der Kassen berücksichtigen. Die regelmäßige Veröffentlichung der Kennzahlen ist einheitlich und verbindlich festzulegen. Das Portal muss kontinuierlich unabhängig evaluiert und weiterentwickelt werden.
LEBENSMITTEL
Faire Lebensmittelpreise sicherstellen
Hohe Lebensmittelpreise: Die Preise für Lebensmittel sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Auch wenn die Inflation wieder abgenommen hat, bleiben die Preise weiter auf einem hohen Niveau. Eine gesunde und nachhaltige Ernährung wird dadurch für alle schwieriger und teurer.
Intransparente Preisbildung: In Deutschland gleicht die Preisbildung bei Lebensmitteln einer Blackbox. Es ist unklar, wer wie viel Gewinn macht. Aufgrund der fehlenden Transparenz kann aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass einige Unternehmen ihre Umsätze auf Kosten der Verbraucher:innen steigern.
LÖSUNG
- Preisbeobachtungsstelle einrichten:
Um die Preisbildung entlang der Wertschöpfungskette nachvollziehbar zu machen, sollte eine unabhängige Stelle die Produktionskosten und Margen erfassen. - Preisvergleich von Lebensmitteln erleichtern:
Lebensmitteleinzelhändler sollten verpflichtet werden, die Preise ihrer Produkte im Internet öffentlich verfügbar zu machen. Das schafft Transparenz und sorgt für mehr Vertrauen. - Jährlichen Lebensmittelgipfel organisieren:
Vertreter:innen der Lebensmittelindustrie, Zivilgesellschaft und relevanter Ministerien sollten jährlich auf einem Gipfel zusammenkommen. Dort können sie gemeinsam die Ergebnisse der Preisbeobachtung bewerten und Maßnahmen beschließen, um eine gesunde Ernährung für alle sicherzustellen.
Mogelpackungen verhindern
Versteckte Preiserhöhungen: Die Packung Streichfett hat auf einmal nur noch 200 statt 250 Gramm Inhalt oder ein Orangensaft wird vom Fruchtsaft zum Fruchtnektar mit Zuckerwasser – bei gleichbleibendem oder sogar steigendem Preis. Solche Mogelpackungen finden sich immer häufiger im Supermarkt. Für Verbraucher:innen sind diese versteckten Preiserhöhungen auf den ersten Blick oft kaum zu erkennen.
LÖSUNG
- Warnhinweise für veränderte Produkte einführen:
Hersteller sollten Produkte mit veränderter Zusammensetzung, Füllmenge oder Verpackungsgröße für mindestens sechs Monate mit einem Warnhinweis versehen, wenn der Grundpreis gleich bleibt oder steigt. Das schafft Transparenz für Verbraucher:innen und gibt Herstellern Anreize, offen mit Preiserhöhungen umzugehen. Die Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene für eine entsprechende Regelung einsetzen.
Auswirkungen der Klimakrise auf die Lebensmittelpreise minimieren
Steigende Preise durch Ernteausfälle: Dürren, Überflutungen oder neue Pflanzenkrankheiten – die Klimakrise hat einen zunehmenden Einfluss auf die weltweiten Ernten in der Landwirtschaft. Ernteausfälle führen wiederum zu höheren Weltmarktpreisen, geringerer Verfügbarkeit einzelner Produkte und damit höheren Preisen im Supermarkt.
Ausgewogene Ernährung immer schwieriger: Die Klimakrise wird in Zukunft zu weiteren Preissteigerungen führen. Dies belastet besonders Haushalte mit geringem Einkommen, die sich eine ausgewogene und nachhaltige Ernährung kaum noch leisten können.
LÖSUNG
- Folgenabschätzung vornehmen:
In einer Folgenabschätzung sollten die klimabedingten Auswirkungen für die Landwirtschaft bis zum Jahr 2050 ermittelt werden. - Strategie zur Ernährungssicherheit erarbeiten:
Die Folgenabschätzung sollte in eine Strategie überführt werden, um die klimabedingte Inflation von Lebensmitteln frühzeitig zu adressieren. - Resilienz der Landwirtschaft stärken:
Im Rahmen der Strategie muss die deutsche Landwirtschaft auf ihre Widerstandsfähigkeit überprüft und bei der Transformation hin zu mehr Resilienz unterstützt werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Alleine durch erhöhte Durchschnittstemperaturen können Lebensmittel ab 2035 pro Jahr um bis zu
werden.9
Lebensmittelsicherheit verbessern
Wiederkehrende Lebensmittelskandale: Listerien in der Wurst, Salmonellen in Schoko-Eiern, Gammelfleischskandale und öffentlich gewordene Missstände in Schlachtbetrieben – Lebensmittelskandale sind keine Seltenheit in Deutschland.
Zu wenige Lebensmittelkontrollen: Lebensmittelskandale gefährden die Gesundheit und verunsichern Verbraucher:innen. Dennoch ist die Anzahl der Lebensmittelkontrollen seit Jahren auf niedrigem Niveau.
LÖSUNG
- Für mehr Personal und Kontrollen der Lebensmittelsicherheit sorgen:
Um die Lebensmittelsicherheit zu verbessern, muss die amtliche Lebensmittelüberwachung finanziell und personell deutlich besser aufgestellt werden. - Transparente Lebensmittelüberwachung sicherstellen:
Bund und Länder müssen ein Konzept vorlegen, wie die Lebensmittelüberwachung flächendeckend ihre Aufgaben erfüllen kann. Dazu gehört ein Kontrollbarometer, das die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen für Verbraucher:innen transparent macht und einen Anreiz für Betriebe schafft, sich an die Vorgaben zu halten.
Zahlen, Daten, Fakten
Die Zahl der amtlichen Lebensmittelkontrollen in Deutschland ist im Zeitraum von 2010 bis 2021
gesunken.68
der Verbraucher:innen würden es begrüßen, wenn die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen veröffentlicht würden.69
schätzen die Sicherheit von Lebensmitteln, die sie in Deutschland kaufen können, als (gar) nicht sicher ein.70
Gesündere Ernährung erleichtern
Viele Hürden bei gesunder Ernährung: Verbraucher:innen möchten sich gesund und ausgewogen ernähren. Doch das ist im Alltag gar nicht so einfach. Zu süße, zu salzige und zu fettige Lebensmittel sind ständig und überall verfügbar. Hinzu kommen komplizierte Nährwertangaben, Werbung und Rabatte für Produkte, die nicht immer ausgewogen sind. Dadurch ist die gesündere Wahl oft nicht die einfachere Wahl.
Kinder und Jugendliche besonders verletzlich: Kinder und Jugendliche werden von der Lebensmittelindustrie im Fernsehen oder in sozialen Medien gezielt angesprochen. Oft werden dabei Produkte beworben, die viel Zucker, Fett oder Salz beinhalten. Diese Werbung beeinflusst maßgeblich das Kauf- und damit auch das Essverhalten. So werden bereits in jungen Jahren Ernährungspräferenzen gebildet, die das gesamte spätere Leben prägen können.
LÖSUNG
- Gesunde Ernährungsumgebungen herstellen:
Es muss ein ernährungspolitisches Gesamtpaket entwickelt werden. Dieses sollte neben Maßnahmen zu Kennzeichnung, Angebot und Gestaltung von Produkten auch Ernährungsbildung und steuerliche Maßnahmen enthalten. - Sich für EU-weite Einführung des Nutri-Scores einsetzen:
Der Nutri-Score sollte auf europäischer Ebene flächendeckend und verpflichtend eingeführt werden. Das Nährwertlogo in Ampelfarben erleichtert es Verbraucher:innen, gesünder einzukaufen und Produkte miteinander zu vergleichen. - Nationale Reduktionsstrategie verbindlicher machen:
Die Ziele zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten sollten fortlaufend wissenschaftlich überprüft, weiterentwickelt und verbindlich formuliert werden. - Werbebeschränkungen einführen:
Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, sollte nur erlaubt sein, wenn die Produkte nicht zu viel Salz, Fett oder Zucker enthalten. - Herstellerabgabe auf Süßgetränke einführen:
Eine Herstellerabgabe auf Süßgetränke sollte Teil eines Maßnahmenmixes zur Förderung eines gesünderen Lebensmittel- und Getränkeangebots sein. - Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse abschaffen:
Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse würde eine gesunde und nachhaltige Ernährung fördern und die notwendige Agrarwende unterstützen. - Ernährungsbildung und Schulverpflegung stärken:
Es braucht eine umfassende Ernährungsbildung, verbindliche Standards für gesunde Schulverpflegung und kostenlose Trinkwasserangebote im öffentlichen Raum und in Schulen.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen befürworten gesetzliche Maßnahmen, um den Zuckergehalt in Fertiglebensmitteln zu senken. 71
der Menschen in Deutschland würden es bevorzugen, wenn Fertiglebensmitteln weniger Zucker zugesetzt wird, auch wenn das Produkt dann etwas weniger süß schmeckt. 72
In
ist Fernsehwerbung für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- oder Zuckergehalt ab Oktober 2025 tagsüber verboten.73
Gesunde und nachhaltige Außer-Haus-Verpflegung vereinfachen
Wenig Transparenz bei Außer-Haus-Verpflegung: Ob morgens ein Brötchen beim Bäcker, mittags eine warme Mahlzeit in der Kantine oder ein Abendessen im Restaurant – täglich essen Millionen Menschen in Deutschland außer Haus. Was in den Speisen enthalten ist und woher die Zutaten stammen, wissen Verbraucher:innen dabei oftmals nicht. Zudem ist das Angebot meist eingeschränkt: Es fehlen nachhaltigere, tiergerechtere oder ausgewogenere Alternativen.
Ungenutztes Potenzial für gesündere Ernährung: Die Außer-Haus-Verpflegung bietet ein großes Potenzial, das bisher weitgehend ungenutzt bleibt. Sie könnte vielen Menschen ein breites Angebot an gesundem, umweltverträglichem und bezahlbarem Essen bieten.
LÖSUNG
- Kostenlose Kita- und Schulverpflegung sicherstellen:
Gemeinsam mit den Bundesländern muss sichergestellt werden, dass alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu gesunden Mahlzeiten haben. - Lebensmittelkennzeichnung auf die Außer-Haus-Verpflegung ausweiten:
Besonders in der Systemgastronomie sollten Speisekarten um verpflichtende Energie- und Nährwertangaben ergänzt werden. - Monitoring der Nährstoffgehalte einführen:
Analog zur Nationalen Reduktionsstrategie bei Fertiglebensmitteln braucht es ein Monitoring für den Zucker-, Fett- und Salzgehalt in der Außer-Haus-Verpflegung.
Mehr Transparenz bei Tierwohl schaffen
Lückenhafte Tierwohl-Kennzeichnung: Viele Verbraucher:innen wünschen sich bessere Haltungsbedingungen für landwirtschaftliche Nutztiere und verlässliche Informationen über Haltungsstandards. Das staatliche Tierhaltungskennzeichen soll Orientierung bieten. Es weist jedoch noch einige Lücken auf. So sind beispielsweise nicht alle Tierarten von der Kennzeichnungspflicht erfasst. Zudem ist unklar, ob die Haltungsbedingungen auch den Erwartungen der Verbraucher:innen entsprechen.
Mangelndes Vertrauen in Kennzeichnung: Im Supermarkt werben viele Hersteller mit freiwilligen Angaben oder privaten Labeln, die mehr „Tierwohl“ suggerieren. Oft lassen diese Aussagen aber mehr erwarten, als sie tatsächlich halten. Das verunsichert Verbraucher:innen und beschädigt das grundsätzliche Vertrauen in eine Tierwohl-Kennzeichnung.
LÖSUNG
- Tierschutzstandards einführen:
Höhere Tierschutzstandards sollten gesetzlich und in den Handelsstandards festgeschrieben werden. Zur Finanzierung des Umbaus sollte der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Fleisch angehoben werden. Um die Mehrkosten auszugleichen und für einen ausgewogenen Warenkorb zu sorgen, sollte gleichzeitig der Mehrwertsteuersatz für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abgeschafft werden. - Begriff „Tierwohl“ schützen:
Der Begriff „Tierwohl“ sollte geschützt werden, damit Werbeaussagen überprüfbar sind und die Glaubwürdigkeit der Kennzeichen am Markt erhalten bleibt. - Tierhaltung transparenter machen:
Die Haltungsbedingungen von Nutztieren müssen transparenter werden. Nur dann sind Verbraucher:innen auch bereit, mehr für höhere Standards zu bezahlen. - Tierhaltungskennzeichen überprüfen und anpassen:
Die Verständlichkeit des staatlichen Tierhaltungskennzeichens für Verbraucher:innen sollte überprüft und falls nötig angepasst werden. Eine Informationskampagne sollte die Akzeptanz und Bekanntheit fördern.
Regionalität transparent kennzeichnen
Viele unterschiedliche Regionalkennzeichnungen: Möhren „von hier“ oder Eier „aus der Region“ – nicht jedes Produkt, das einen regionalen Eindruck macht, stammt auch tatsächlich aus der Region. Auf nationaler und EU-Ebene gibt es diverse Kennzeichnungen für regionale Produkte, die völlig unterschiedlichen Kriterien unterliegen. Einheitliche und verbindliche Mindeststandards fehlen. Das erschwert es Verbraucher:innen, regionale Produkte verlässlich zu erkennen und bewusste Kaufentscheidungen zu treffen.
LÖSUNG
- Einheitliche Mindeststandards für Regionalität einführen:
Die Bundesregierung sollte verbindliche Mindeststandards für die Kennzeichnung und Bewerbung von regionalen Lebensmitteln festlegen. Das steigert die Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte und bietet Landwirt:innen Spielraum, nachhaltiger zu wirtschaften.
Werbung mit Lebensmittelzutaten strenger regulieren
Lebensmittel halten nicht, was Packung verspricht: Auf der Vorderseite der Verpackung prangt ein dicker Strauß Rosmarin und in der Zutatenliste finden sich „Rosmarin“ und „natürliches Aroma“ als letztgenannte Zutaten: Verbraucher:innen beschweren sich häufig über Lebensmittelverpackungen, die Zutaten hervorheben, die nur in geringen Mengen enthalten sind.
Fehlende gesetzliche Vorgaben: In vielen Fällen gibt es für Hersteller keine gesetzlichen Vorgaben, die enthaltene Menge von beworbenen Zutaten in Prozent anzugeben. Dadurch verpassen die Anbieter Produkten mit an sich „billigen“ Zutaten einen hochwertigeren oder natürlicheren Anschein, ohne das tatsächlich einzulösen. Verbraucher:innen fühlen sich dadurch getäuscht.
LÖSUNG
- Mengenkennzeichnung von Lebensmitteln reformieren:
Die Mengenkennzeichnung von Lebensmitteln – QUID (Quantitative Ingredients Declaration) – muss reformiert werden. Zutaten, die werblich hervorgehoben werden, müssen künftig ausnahmslos in Prozent angegeben werden. - Lebensmittelinformations-Verordnung präzisieren:
Damit die Vorgaben für irreführende Werbung von Herstellern nicht so leicht umgangen werden können, muss die europäische Lebensmittelinformations-Verordnung präzisiert werden.
MOBILITÄT
Qualität von Bus und Bahn verbessern
Viele Probleme bei Bus und Bahn: Verspätete Züge, dreckige Fahrzeuge, schlechte Taktung – Verbraucher:innen ärgern sich täglich über Bus und Bahn. Das kann Menschen vom Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel abhalten. Die Probleme und auch die Kundenzufriedenheit werden aktuell jedoch nicht systematisch und vergleichbar erfasst.
LÖSUNG
- Qualitätsmonitor einführen:
Eine unabhängige und öffentlich finanzierte Stelle soll die Kundenzufriedenheit und Qualität im öffentlichen Verkehr messen, Probleme deutlich machen und Lösungen aufzeigen. Zum Start sollte der Qualitätsmonitor die Deutsche Bahn als größtes Unternehmen im öffentlichen Verkehr untersuchen. Mittelfristig soll die Erhebung auf weitere Unternehmen und Verkehrsverbünde ausgeweitet werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Im Jahr 2024 war die
mit dem ÖPNV auf dem niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre.16
und nicht gut aufeinander abgestimmt: So bewertet jeweils mindestens die Hälfte der Verbraucher:innen (50 % – 54 %) den öffentlichen Verkehr.17
der Verbraucher:innen denken, dass eine unabhängige Untersuchung zur Qualität und Verbraucherfreundlichkeit eher oder sehr stark zu einer Verbesserung des öffentlichen Verkehrs beitragen würde.18
Mindestangebot für den ÖPNV flächendeckend sicherstellen
Schlechtes Nahverkehrsangebot: Der Bus fährt nur vier Mal am Tag und in den Schulferien gar nicht – öffentliche Verkehrsmittel werden vielerorts nicht bedarfsgerecht angeboten, vor allem in dünn besiedelten Gebieten. Das schränkt selbstbestimmte Mobilität ohne eigenes Auto erheblich ein.
LÖSUNG
- Mindesterreichbarkeitsstandards im ÖPNV einführen:
Es müssen Mindeststandards eingeführt werden, wie häufig Orte mit Bus oder Bahn erreichbar sein müssen. Diese Standards können sich dabei je nach Region, also zum Beispiel zwischen Stadt und Land, unterscheiden.
Zahlen, Daten, Fakten
Deutschlandweit haben etwa
keinen oder nur wenige Male am Tag Anschluss an den öffentlichen Verkehr.19
der Verbraucher:innen fühlen sich am Wohnort nicht gut an Bus und Bahn angebunden.20
Für
der Verbraucher:innen ist der Weg zur nächsten Haltestelle oder zum nächsten Bahnhof zu weit.21
Deutschlandticket verbessern und langfristig sichern
Unsicherheit beim Deutschlandticket: Durch das Deutschlandticket wurde der ÖPNV für viele Menschen günstiger. Allerdings ist das Ticket nicht langfristig gesichert und finanziert. Um vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen, benötigen Verbraucher:innen Planungssicherheit. Für Ärger sorgt zudem, dass das Deutschlandticket nur als Abo zu kaufen ist.
LÖSUNG
- Deutschlandticket langfristig erhalten:
Das Deutschlandticket muss langfristig gesichert und finanziert werden. Ein weiterer Preisanstieg muss bis mindestens zum Jahr 2030 vermieden werden. Zudem sollte das Angebot ausgebaut werden, um den ÖPNV für die Menschen noch attraktiver zu machen. - Deutschlandticket als echtes Monatsticket anbieten:
Das Deutschlandticket muss monatlich flexibel zu kaufen sein – nicht nur online, sondern auch an Schaltern und Automaten.
Pendlerpauschale reformieren
Steigende Preise für Kraftstoffe: Benzin und Diesel wurden in den letzten Jahren für Verbraucher:innen immer teurer. Das liegt unter anderem am steigenden CO2-Preis. Die geplante Ausweitung des europäischen Emissionshandels könnte die Spritpreise weiter in die Höhe treiben. Menschen mit geringem Einkommen, die auf das eigene Auto angewiesen sind, stellt das vor finanzielle Herausforderungen. Durch die hohen Mobilitätskosten müssen sie in anderen Bereichen, beispielsweise bei Lebensmitteln oder Kulturangeboten sparen.
LÖSUNG
- Einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld einführen:
Die Pendlerpauschale sollte in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Haushalte mit niedrigem Einkommen würden so weitaus stärker entlastet werden. - Sozial gerechte Entlastung schaffen:
Einkommensschwache Verbraucher:innen sollten zusätzliche Entlastungsmaßnahmen und Förderprogramme erhalten, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.
Zahlen, Daten, Fakten
der Mehrausgaben, die durch den CO2-Preis auf Kraftstoffe anfallen, erhalten Haushalte mit hohem Einkommen zurück. Bei Geringverdiener:innen sind es teilweise nur 10 %.81
NACHHALTIGKEIT
Langlebigkeit von Produkten fördern
Kurze Gewährleistungsfrist: Ob Kühlschrank oder Smartphone – für jedes Produkt gilt eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Obwohl viele Produkte länger halten, ist die Frist unabhängig von der erwarteten Lebensdauer. Weist der neue Kühlschrank kurz nach Ablauf von zwei Jahren doch einen Mangel auf, haben Verbraucher:innen keine Ansprüche mehr gegenüber dem Verkäufer.
Beweislast nach einem Jahr bei Verbraucher:innen: Bereits nach einem Jahr müssen Verbraucher:innen beweisen, dass ein Mangel schon beim Kauf vorlag. Dieser Nachweis ist oft schwierig und benötigt teils teure Gutachten. Dadurch können Verbraucher:innen ihre Rechte nach einem Jahr kaum mehr durchsetzen.
LÖSUNG
- Beweislastumkehr erweitern:
Der Zeitraum der Beweislastumkehr muss auf mindestens zwei Jahre erweitert werden. - Gewährleistungsdauer verlängern:
Die Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene für eine Gewährleistungsdauer einsetzen, die sich an der Lebensdauer des jeweiligen Produkts orientiert. - Verpflichtende Lebensdauerangabe einführen:
Hersteller sollten verpflichtet werden, die Lebensdauer auf Produkten anzugeben, um die Vergleichbarkeit zu verbessern. - Hersteller zur Bereitstellung von Updates verpflichten:
Hersteller sollten verpflichtet werden, notwendige Updates zur Funktionalität von Elektrogeräten bereitzustellen. Denn ohne diese Updates müssen Verbraucher:innen Geräte teilweise früher als notwendig durch neue ersetzen. - Für einen Reparaturindex einsetzen:
Die Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass Verbraucher:innen durch einen Index einfach erkennen können, wie leicht sich ein Produkt reparieren lässt. Sollte eine europäische Lösung mittelfristig nicht möglich sein, müssen Bundesregierung und Bundestag einen nationalen Reparaturindex einführen.
Reparaturen attraktiv machen
Hohe Reparaturkosten: Der Staubsauger saugt nicht mehr oder die Waschmaschine gibt den Geist auf: Gehen Geräte kaputt und wollen Verbraucher:innen sie reparieren lassen, müssen sie oft viel Geld für Ersatzteile und Werkstatt bezahlen. Die Reparatur ist dann schnell teurer als die Anschaffung eines Neugeräts.
Mangelnde Qualität von Reparaturen: Entscheiden sich Verbraucher:innen für eine Reparatur, geraten sie immer wieder an Reparaturbetriebe, die Reparaturen falsch oder in schlechter Qualität durchführen. Meist haben Verbraucher:innen keine Möglichkeit, die Kosten zurückzubekommen, wenn das Gerät trotz Reparatur nicht funktioniert.
LÖSUNG
- Bundesweiten Reparaturbonus einführen:
Durch ein unbürokratisches und niedrigschwelliges Förderprogramm für Reparaturen sollen Verbraucher:innen einen Zuschuss erhalten, um kaputte Geräte und Produkte reparieren zu lassen. Das macht die Reparatur attraktiver. - Suche nach zuverlässigen Reparaturbetrieben erleichtern:
Eine nationale Plattform soll es Verbraucher:innen erleichtern, qualitativ zuverlässige Reparaturbetriebe in ihrer Nähe zu finden. - Netzwerk für Qualitätsstandards fördern:
In einem Netzwerk sollen bundesweit Qualitätsstandards und Verbraucherschutzregeln für Reparaturbetriebe entwickelt und beschlossen werden.
Zahlen, Daten, Fakten
der Reparaturen, die in Thüringen durch einen Reparaturbonus gefördert wurden, wären ohne den Bonus nicht durchgeführt worden.83
Hilfreichen digitalen Produktpass einführen
Nachhaltigkeit von Produkten wenig transparent: Wer beim Kauf eines Produkts auf Nachhaltigkeit achten möchte, hat es nicht leicht. Für Verbraucher:innen ist es kaum möglich, alle relevanten Informationen zu einem Produkt zu finden – bei einem Elektrogerät etwa die Haltbarkeit des Akkus, die Reparierbarkeit oder der Anteil an recyceltem Plastik. Welches Produkt in einer bestimmten Produktgruppe über alle Lebensphasen am nachhaltigsten ist, bleibt also unklar. Künftig soll auf EU-Ebene ein digitaler Produktpass mehr Transparenz schaffen. Bei der Ausgestaltung des Passes drohen jedoch die Interessen der Verbraucher:innen auf der Strecke zu bleiben.
LÖSUNG
- Hilfreichen digitalen Produktpass einführen:
Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die noch zu erarbeitenden digitalen Produktpässe im Sinne der Verbraucher:innen gestaltet werden und Informationen zur Nachhaltigkeit sowie zur Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparatur und Wartung eines Produkts enthalten.
Greenwashing verhindern
Kein Durchblick bei der Werbung mit Nachhaltigkeit: „Recycelbare Verpackung“, „fair produziert“ oder „klimaneutral hergestellt“ – beim Einkaufen stoßen Verbraucher:innen ständig auf Werbeclaims, die besonders umweltfreundlich oder sozialverträglich hergestellte Produkte versprechen. Das geschieht in Form von Werbebotschaften, aber auch in Form von Siegeln. Für Verbraucher:innen ist dabei nicht erkennbar, was hinter den Claims steckt und ob die Produkte tatsächlich nachhaltig sind.
LÖSUNG
- Green Claims Directive ambitioniert umsetzen:
Die auf EU-Ebene verhandelte Green Claims Directive macht Vorgaben dafür, wie umweltbezogene Werbung belegt werden muss. In der nationalen Umsetzung braucht es strenge Auflagen für alle Unternehmen. - Sich für eine Regulierung von Social Claims einsetzen:
Werbung mit sozialbezogener Nachhaltigkeit, wie „fair gehandelt“, ist bislang nahezu nicht reguliert. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für eine Regulierung analog zur Green Claims Directive einsetzen.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen kennen den Zusammenhang von „Klimaneutralität“ und „Kompensation“. Die Mehrheit geht fälschlicherweise davon aus, dass „klimaneutral“ gleichbedeutend mit „weniger Treibhausgasausstoß“ ist.85
Nachhaltige Produkte zum Standard machen
Kaum nachhaltige Produkte: Die Mehrheit der Verbraucher:innen möchte nachhaltiger konsumieren. Das ist jedoch oft unmöglich, weil wirklich nachhaltige Produkte nach wie vor die Ausnahme sind. Daran können Kaufentscheidungen, anders als oft behauptet, kaum etwas ändern. Denn: Verbraucher:innen haben keinen Einfluss auf Produktionsbedingungen in globalen Lieferketten. Jene liegen in der Verantwortung der Unternehmen. Leider übernehmen nur wenige Konzerne freiwillig diese Verantwortung.
LÖSUNG
- Lieferkettengesetz nachbessern:
Nachhaltige Produkte ohne Kinderarbeit, Lohndumping und Umweltzerstörungen müssen zum Standard werden. Dafür muss das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Zuge der Umsetzung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive auf die gesamte Lieferkette ausgeweitet werden. Die Zahl der betroffenen Unternehmen darf nicht sinken und es braucht schnell zivilrechtliche Haftungsregelungen.
PFLEGE
Pflegeleistungen entbürokratisieren
Wissen über Leistungsansprüche in der Pflege fehlt: Pflegebedürftige haben eine Reihe von Ansprüchen aus der Pflegeversicherung. Diese hängen von diversen Faktoren ab, etwa dem Pflegegrad oder dem Ort, wo die Person gepflegt wird. Teilweise sind die Ansprüche kombinierbar, teilweise schließen sie sich aber auch gegenseitig aus. Vielen Verbraucher:innen fehlt das Wissen, welche Leistungen ihnen zustehen und wie sie diese abrufen können.
Überforderung durch komplexe Regelungen: Die komplexen Regelungen überfordern viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, was oft zu einer unzureichenden Pflege führt. Besonders bürokratisch ist der Entlastungsbetrag, der eigentlich Pflegebedürftige bei der Gestaltung ihres Alltags unterstützen soll. Dieser monatliche Betrag ist in der Praxis schwer nutzbar, da es kaum Dienste und ehrenamtliche Helfer:innen gibt, die bereit sind, die aufwendigen Zulassungskriterien zu erfüllen.
LÖSUNG
- Pflegeleistungen bündeln und entbürokratisieren:
Anstelle vieler vereinzelter Ansprüche sollten alle Leistungen in zwei Budgets zusammengefasst werden: ein Pflegebudget zur selbstbestimmten Verwendung der Pflegebedürftigen und ein Entlastungsbudget zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Diese Budgets sollten flexibel, bedarfsgerecht und abhängig vom Pflegegrad ausgeschüttet werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Im Jahr 2022 haben
der Berechtigten ihre Ansprüche auf den Entlastungsbetrag für Pflegebedürftige nicht genutzt.86
Rechte von Patient:innen in der ambulanten Pflege stärken
Lückenhafter Schutz in der ambulanten Pflege: Eine plötzliche Kündigung des Pflegedienstes oder fehlende Informationen zu Leistungen und Kosten – wer zu Hause gepflegt wird, ist nur unzureichend vor unfairen Praktiken geschützt. Denn für Verträge in der ambulanten Pflege gelten aktuell nur das allgemeine Dienstvertragsrecht und bestimmte Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch. Diese legen jedoch lediglich Mindestanforderungen fest und haben sich als lückenhaft erwiesen.
LÖSUNG
- Rechte von ambulant Gepflegten gesetzlich regeln:
In einem neuen Gesetz sollten die Rechte von Patient:innen in der ambulanten Pflege gestärkt werden. Dabei muss insbesondere die besondere Abhängigkeit der Gepflegten von ambulanten Pflegediensten berücksichtigt werden. - Einheitliches Verbraucherschutzgesetz für die Pflege einführen:
Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) sollte zu einem zentralen Verbraucherschutzgesetz für Verträge über Pflege- und Betreuungsleistungen umgestaltet werden. So können Überschneidungen zwischen ambulanter und stationärer Pflege besser berücksichtigt werden.
Soziale Pflegeversicherung nachhaltig finanzieren
Leistungen der Pflegeversicherung reichen nicht aus: Wer pflegebedürftig ist, erhält in der Regel Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Diese reichen aber oft nicht aus, um die Pflegekosten zu decken. Verbraucher:innen müssen hohe Eigenanteile tragen, die kontinuierlich steigen. Können sie sich dies nicht leisten, kommt es im schlimmsten Fall zur Unterversorgung oder zur Überlastung pflegender Angehöriger.
Pflegebedürftigkeit als Armutsrisiko: Besonders hart trifft es Pflegebedürftige in der stationären Pflege. Dort übersteigen die Pflegekosten und der Eigenanteil die bundesweite Durchschnittsrente bei Weitem. Das macht Pflegebedürftigkeit zum Armutsrisiko.
LÖSUNG
- Soziale Pflegeversicherung finanziell nachhaltig ausstatten:
Die Leistungssätze der sozialen Pflegeversicherung sollten jährlich an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden. Zudem muss der Bundeszuschuss zur sozialen Pflegeversicherung erhöht und zweckgebunden werden. Die Bundesländer müssen verpflichtet werden, die Investitionskosten zu übernehmen. Die Ausbildungskostenumlage sollte abgeschafft werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Der Eigenanteil für Pflegebedürftige im Pflegeheim betrug im Juli 2024 im Bundesdurchschnitt
im ersten Aufenthaltsjahr. Das sind 211 Euro mehr als im Vorjahr.87
REISE
Fluggastrechte sichern und modernisieren
Ärger mit verspäteten oder ausgefallenen Flügen: Fallen Flüge aus oder haben erhebliche Verspätung, haben Passagiere durch die europäische Fluggastrechte-Verordnung in der Regel Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Verbraucher:innen ärgern sich jedoch immer wieder darüber, dass Airlines sich mit der Zahlung sehr viel Zeit lassen oder berechtigte Forderungen ablehnen.
Fluggastrechte in Gefahr: Ein Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013, der bis heute nicht zurückgezogen wurde, bedroht die bestehenden Fluggastrechte. Statt wie bisher nach drei Stunden Verspätung hätten Verbraucher:innen dann erst nach fünf Stunden und mehr Verspätung Ausgleichsansprüche.
Informationslücke: Viele Menschen wissen gar nicht, dass ihnen bei Annullierungen und Verspätungen bestimmte Hilfeleistungen und Ausgleichszahlungen zustehen. Auch die Möglichkeit der kostenfreien Schlichtung ist oft nicht bekannt.
LÖSUNG
- Veralteten Vorschlag für Fluggastrechte ablehnen:
Die Bundesregierung sollte die EU-Kommission auffordern, den veralteten Vorschlag von 2013 zurückzuziehen und ein neues Gesetz für zeitgemäße und faire Fluggastrechte zu initiieren. - Kampagne zu Schlichtungen im Bereich Fluggastrechte starten:
Eine reichweitenstarke Informationskampagne sollte Passagiere über ihre Rechte aufklären und auf Schlichtungsmöglichkeiten hinweisen.
Zahlen, Daten, Fakten
Im Sommer 2024 waren
in Europa von Verspätungen und Flugannullierungen betroffen.88
Verbraucher aus Hamburg:
"Mein Flug von Seoul nach Frankfurt hob ca. 120 Minuten verspätet ab. Dadurch verpasste ich meinen Anschlussflug nach Hamburg. Meine Forderung wurde pauschal durch "die schlechte Wettersituation in Frankfurt" abgelehnt, obwohl mein Verbindungsflug nach Hamburg pünktlich abhob – nur ohne mich. Hamburg erreichte ich erst gut 15 Stunden später. Die Airline bot mir 30 Euro als Kompensation an. Den Anspruch auf 600 Euro Entschädigung lehnte die Airline jedoch pauschal ab." 89
Passagierrechte auf Reisen mit mehreren Verkehrsmitteln stärken
Mangelnder Schutz bei Reisen mit mehreren Verkehrsmitteln: Wer mit dem Zug zum Flughafen fährt und aufgrund einer Verspätung des Zugs seinen Flug verpasst, bleibt in der Regel auf den Kosten des Flugtickets sitzen. Denn Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln und Anbietern (multimodale Reisen) sind bislang nur unzureichend geregelt. Das erschwert es Verbraucher:innen, Passagierrechte geltend zu machen.
LÖSUNG
- Für EU-weite Rechte für multimodales Reisen eintreten:
Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die EU bessere Rahmenbedingungen für multimodale Reisen schafft. Dazu gehören einheitliche und ambitionierte Passagierrechte bei Ausfällen, Verspätungen und verpassten Anschlüssen.
Zahlen, Daten, Fakten
Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Zahl von Passagieren, die multimodale Reisen unternehmen, von 2019 bis 2050 um
steigen wird.90
Verbraucherrechte bei Pauschalreisen stärken
Wenig Schutz bei Buchung von einzelnen Reiseleistungen: Buchen Verbraucher:innen nur eine Einzelleistung, etwa eine Ferienwohnung, oder eine Reise, die weniger als 24 Stunden dauert, haben sie nicht die gleichen Rechte wie Pauschalreisende. Das erschwert es zum Beispiel, Reisemängel geltend zu machen und Schadensersatz zu erhalten. Da viele Verbraucher:innen aus finanziellen Gründen den Gang vor Gericht scheuen, bleiben sie oft auf entstandenen Kosten sitzen.
LÖSUNG
- Umsetzungsspielraum der EU-Pauschalreise-Richtlinie ausnutzen:
Die Bundesregierung muss bei der nationalen Umsetzung der künftigen EU-Pauschalreise-Richtlinie Ferienhausbuchungen und Tagesreisen wieder unter den Schutz des Pauschalreiserechts stellen. - Schlichtungsverfahren fördern:
Die Bundesregierung muss einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der die Beteiligung von Reiseveranstaltern, Vermittlern von Reisen sowie Anbietern von Einzelleistungen an anerkannten Schlichtungsstellen fördert. Das Gesetz sollte außerdem Schlichtungsverfahren verbindlicher ausgestalten.
VERBRAUCHERBILDUNG
Alltagsbildung stärken
Jungen Menschen fehlt Erfahrung im Konsumalltag: Wie gehe ich am besten mit meinem Taschengeld um? Woran erkenne ich Fake News? Und welche Fallstricke gibt es beim Online-Shopping? Bereits Kinder und Jugendliche stehen in ihrer Rolle als Verbraucher:innen täglich vor vielen Entscheidungen, die Konsequenzen für sie selbst, aber auch für Umwelt und Gesellschaft haben. Allerdings fehlen ihnen oft noch das Wissen, der kritische Blick und die Erfahrung, um dies zu überblicken.
Mangelnde Verbraucherbildung in Schulen: Verbraucherbildung kann junge Leute dazu befähigen, reflektierte und selbstbestimmte Konsumentscheidungen zu treffen. Derzeit findet sie aber nicht flächendeckend an Schulen statt. Und das, obwohl hier alle Kinder und Jugendlichen unabhängig ihrer sozialen Herkunft erreicht werden könnten.
LÖSUNG
- Flächendeckende Verbraucherbildung sicherstellen:
Verbraucherbildung ist Alltagsbildung. Sie ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. Der Bund muss die Länder motivieren und darin unterstützen, Verbraucherbildung flächendeckend an Schulen umzusetzen. - Verbraucherbildung in Bildungsangeboten verankern:
Wo Bürger:innen eine hohe Verantwortung zugeschrieben wird, muss der Bund unabhängige Institutionen fördern, die Kompetenzen aufbauen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. - Netzwerk Verbraucherschule dauerhaft finanzieren:
Mit dem Netzwerk und der Auszeichnung Verbraucherschule werden Schulen bundesweit dabei unterstützt, Verbraucherbildung zu etablieren und Kompetenzen aufzubauen. Die Finanzierung des Angebots muss dauerhaft sichergestellt werden.
Qualität finanzieller Bildung sicherstellen
Schuldenrisiko durch wenig Finanzkompetenz: Taschengeld, Versicherungen oder Vorsorge – der Umgang mit Finanzen ist in allen Lebensphasen relevant. Gerade junge Menschen können die Konsequenzen und Risiken aber oft nicht abschätzen. Neue Angebote wie „Buy now, pay later“ verleiten zum Kaufen auf Pump und ebnen Jugendlichen immer häufiger den Weg in die Schuldenfalle.
Fehlende Finanzbildung in Schulen: Finanzbildung kann als Teil von Verbraucherbildung helfen, sich mit den eigenen Finanzen auseinanderzusetzen und komplexe Märkte zu verstehen. Bislang fehlt es aber an einer strukturellen Verankerung von Finanzbildung in der Schule. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an Finanzbildungsangeboten von Unternehmen oder Stiftungen und Vereinen, deren Qualität nicht geprüft ist.
LÖSUNG
- Finanzbildung unter Berücksichtigung des Verbraucherschutzes stärken:
Der Prozess zur Erarbeitung und Umsetzung einer nationalen Finanzbildungsstrategie sollte überarbeitet werden. Dabei muss die Perspektive des Verbraucherschutzes strukturell eingebunden sein. - Qualität von Finanzbildungsangeboten sicherstellen:
Eine nationale Finanzbildungsstrategie muss bedarfsorientierte Maßnahmen fördern und verbindliche Qualitätsstandards sicherstellen. - Unabhängige Qualifizierung für Pädagog:innen ermöglichen:
Eine nationale Finanzbildungsstrategie muss dauerhafte unabhängige Qualifizierungsangebote für Pädagog:innen ermöglichen – ohne Einfluss der Finanzbranche und Wirtschaft. - Etablierte Angebote finanzieller Bildung unterstützen:
Eine nationale Finanzbildungsstrategie muss erfolgreiche, etablierte Bildungsangebote langfristig unterstützen, anstatt neue, doppelte Strukturen aufzubauen.
Werbung an Schulen verbieten
Unternehmen beeinflussen Lerninhalte: Schulworkshops von Lebensmittelherstellern zu gesunder Ernährung oder Bankmitarbeiter:innen, die Finanzthemen in Schulklassen vermitteln: Unternehmen nutzen das Klassenzimmer immer wieder, um ihre Marke und ihre Interessen zu platzieren. So nehmen sie schleichend Einfluss auf Bildungsinhalte.
Kinder und Jugendliche kaum geschützt: Der Lernort Schule hat einen Bildungsauftrag, um Kinder und Jugendliche für Gefahren und Irreführungen zu sensibilisieren. Zudem soll er ein Raum sein, der Schüler:innen vor werblicher Einflussnahme schützt. Doch die bestehenden Regelungen in den 16 Bundesländer bieten hier nur unzureichende Grundlagen.
LÖSUNG
- Für ein generelles Werbeverbot sorgen:
Die Länder müssen ein generelles Werbeverbot an Schulen einführen, um Heranwachsende vor wirtschaftlicher Einflussnahme zu schützen. - Mehr Transparenz schaffen:
Es muss nachvollziehbar sein, welche Unternehmen, wirtschaftsnahen Verbände und Stiftungen in Schulen aktiv sind und welche Aktivitäten sie dort durchführen. - Verbot von Firmenlogos auf Unterrichtsmaterialien anstoßen:
Firmenlogos haben in der Schule und auf Unterrichtsmaterialien nichts verloren und sollten verboten werden. Sie können lediglich als Unterrichtsgegenstand kritisch thematisiert werden. - Fortbildungen für Lehrende ermöglichen:
Lehrende müssen durch verbindliche Aus-, Fort- und Weiterbildung befähigt werden, sich mit der Einflussnahme von Unternehmen an Schulen kritisch auseinanderzusetzen.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen finden, dass Werbung gewinnorientierter Unternehmen in Schulen und im Unterricht verboten werden sollte.95
von mehr als mehr 1.300 untersuchten Online-Bildungsmaterialien im Bereich der finanziellen Bildung stammen von Banken und der Privatwirtschaft.96
VERBRAUCHERRECHT
Produktsicherheit auf Online-Marktplätzen gewährleisten
Gekaufte Produkte werden zur Gefahr: Feuermelder, die kein Feuer melden, oder Nachtlichter, die Kindern einen Stromschlag verpassen – Produkte auf Online-Marktplätzen können für Verbraucher:innen schnell zur Gefahr werden, da sie teilweise nicht den EU-Sicherheitsvorschriften entsprechen.
Probleme mit Händlern aus Nicht-EU-Staaten: Verbraucher:innen stoßen beim Direktkauf von Händlern aus Nicht-EU-Staaten oft auf verbraucherrechtliche Probleme, etwa weil Händler das Widerrufsrecht ignorieren. Dieses Problem wird durch Online-Marktplätze verschärft, die überwiegend Händler aus Nicht-EU-Staaten gelistet haben.
LÖSUNG
- Für verschärfte Sorgfaltspflichten eintreten:
Die Sorgfaltspflichten der Betreiber von Online-Marktplätzen müssen im Hinblick auf die Produktsicherheit verschärft werden. Dafür muss sich die Bundesregierung auf EU-Ebene starkmachen. Konkret müssen strengere Kontrollpflichten eingeführt werden. - Für eine Haftung der Betreiber eintreten:
Betreiber von Online-Marktplätzen sollten für Schäden haftbar sein, wenn kein Händler oder Produzent greifbar ist. Hierfür muss sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen. - Zoll und Marktüberwachung stärken:
Die finanzielle und personelle Ausstattung von Zoll und Marktüberwachungsbehörden in Deutschland muss sicher und zukunftsfähig gestaltet werden. Der Bund sollte die Länder finanziell unterstützen und eine stärker koordinierende Rolle einnehmen.
Zahlen, Daten, Fakten
getesteten Kinderspielzeugen von Temu stellen eine Gefahr für Kinder dar.28
Im Jahr 2024 hat Ökotest Kleidung von Shein getestet:
der getesteten Kleidungsstücke fielen durch, unter anderem aufgrund diverser Schadstoffe.29
der Verbraucher:innen erwarten, dass Betreiber von Online-Marktplätzen haften, wenn ein Problem durch den Händler nicht gelöst wird.30
Verbraucher:innen vor Kostenfallen schützen
Untergeschobene Verträge: Nach einem Werbeanruf kommt plötzlich eine Rechnung ins Haus, ohne dass ein Vertrag abgeschlossen wurde – Verbraucher:innen ärgern sich immer wieder über untergeschobene Verträge, die angeblich an der Haustür, am Telefon, im Internet oder im Ladengeschäft abgeschlossen wurden. Scheitern die Bemühungen, den Vertrag zu kündigen, bleiben sie auf den Kosten sitzen.
LÖSUNG
- Bestätigungspflicht für Telefonverträge einführen:
Für alle telefonisch abgeschlossenen langfristigen Verträge muss eine Bestätigungspflicht eingeführt werden. Die Bestätigung muss in Textform vorliegen und erst nach Beendigung des Telefonats möglich sein. - Schriftliche Zusammenfassung verpflichtend machen:
Unternehmen sollten verpflichtet werden, bei langfristigen Verträgen im Ladengeschäft die wichtigsten Punkte schriftlich zusammenzufassen und den Kund:innen vor Vertragsschluss auszuhändigen. - Vertragslaufzeit begrenzen:
Die zulässige Erstvertragslaufzeit für langfristige Verträge soll auf maximal ein Jahr begrenzt werden. - Widerrufsfrist verlängern:
Die Widerrufsfrist für Haustürgeschäfte soll von 14 auf 30 Tage verlängert werden.
Zahlen, Daten, Fakten
Von Januar bis Oktober 2024 wurden in den Verbraucherzentralen mehr als
über untergeschobene Verträge erfasst.97
der Verbraucher:innen bevorzugen kurze Laufzeiten vor längerfristigen Verträgen.98
der Verbraucher:innen finden, dass Verbraucher:innen vor untergeschobenen Verträgen im Internet besser geschützt werden müssen.99
Inkassogebühren begrenzen
Überhöhte Inkassogebühren: Wer eine Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt, erhält oft Post von einem Inkasso-Unternehmen. Das Problem: Betroffene können die Inkassokosten kaum überprüfen. Auch wenn die Forderung an sich berechtigt ist, steht die Höhe der Inkassokosten oft in keinem Verhältnis zum offenen Betrag.
Problematische Praktiken: Durch bedrohlich klingende Schreiben versuchen die Inkasso-Unternehmen, Druck auf Verbraucher:innen auszuüben. Sind Verbraucher:innen auf eine Ratenzahlungsvereinbarung angewiesen, werden sie zum Teil durch entsprechend vorangekreuzte Felder gedrängt, die Geldforderungen anzuerkennen (Schuldanerkenntnis) oder weitere nachteilige Vereinbarungen zu unterzeichnen.
LÖSUNG
- Inkassokosten deckeln:
Bei Schulden bis 200 Euro muss eine Kostendeckelung für Inkassogebühren von maximal 15 Euro eingeführt werden. - Verknüpfung von Ratenzahlung und Schuldanerkenntnis verbieten:
Es braucht ein Verbot, Ratenzahlungsvereinbarungen mit Schuldanerkenntnissen oder anderen nachteiligen Regelungen für Verbraucher:innen zu verknüpfen.
Durchsetzung von Verbraucherrechten erleichtern
Fehlende Informationen bei Massenschäden: Egal, ob die Bank unzulässige Gebühren erhoben hat oder ob es Batterieprobleme beim E-Auto gibt, wenn Verbraucher:innen bei Massenschäden Ansprüche durchsetzen wollen, fehlen ihnen und den zur Durchsetzung befugten Verbänden nicht selten behördliche Informationen über das schadhafte Verhalten der Unternehmen. Oft muss der Zugang dazu gerichtlich durchgesetzt werden.
Unternehmen selten bereit zu Schlichtungsverfahren: Schlichtungsverfahren bieten bei klarer Rechtslage eine niedrigschwellige und kostengünstige Möglichkeit, Rechtsstreitigkeiten beizulegen. Da Unternehmen nur selten bereit sind, an solchen Verfahren teilzunehmen und Verbraucher:innen aus finanziellen Gründen einen Rechtsstreit scheuen, bleiben Geschädigte nicht selten auf ihrem Schaden sitzen.
LÖSUNG
- Teilnahme an Schlichtungsverfahren verbindlich machen:
In den Bereichen mit den meisten Verbraucherbeschwerden muss es verbindliche Schlichtungsverfahren geben. - Zugang zu Informationen bei Verstößen verbessern:
Der Zugang zu Informationen von Unternehmen und Behörden muss durch bessere Transparenz- und Auskunftsrechte erleichtert werden. - Marktüberwachung stärken:
Marktüberwachungsbehörden müssen so gestärkt werden, dass Verbraucher:innen besser geschützt sind.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen ohne Rechtsschutzversicherung können sich keinen Anwalt für einen Rechtsstreit leisten.100
Digitales Verbraucherrecht fair gestalten
Unfaire Praktiken bei Online-Diensten: Wer im Internet Nachrichten liest, Produkte kauft oder Apps nutzt, hinterlässt dabei viele Daten. Diese werden von Unternehmen ausgewertet und dafür verwendet, Nutzer:innen personalisierte Angebote und Werbung zu präsentieren. Dabei können Schwächen von Verbraucher:innen bewusst ausgenutzt werden, etwa wenn Fahrdienstleister bei einem niedrigen Akkustand des Handys höhere Preise aufrufen oder wenn manipulative Designs zu einem Kauf drängen.
LÖSUNG
- Aktualisierung des EU-Verbraucherrechts unterstützen:
Das Verbraucherrecht stammt noch aus der analogen Zeit. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für eine umfangreiche Anpassung des Verbraucherrechts an die digitale Realität einsetzen. - „Fairness by Design“ und „Fairness by Default“ verpflichtend
machen:
Websites und Apps sollten von Anfang an so gestaltet sein, dass sie Verbraucher:innen nicht benachteiligen. Unternehmen müssen deshalb zu „Fairness by Design“ und „Fairness by Default“ verpflichtet werden. - Manipulative Designs verbieten:
Manipulative Designs, die Verbraucher:innen im Internet zu einem bestimmten Verhalten verleiten sollen, müssen verboten werden. - Profilbildung zu Werbezwecken verbieten:
Die Profilbildung für Werbung muss verboten werden. Verbraucher:innen sollten das Internet und ihre Smartphones nutzen können, ohne dass ihre Daten zu Werbezwecken gesammelt werden. Für ein solches Verbot sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen. - Digitale Kundenkommunikation regulieren:
Es braucht klare Vorgaben für die faire Ausgestaltung digitaler Kundenpostfächer. Zudem braucht es das Recht auf eine menschliche Ansprechperson.
Zahlen, Daten, Fakten
der Verbraucher:innen sehen ihre Interessen im Bereich Internet und Digitalisierung nicht gut geschützt.101
der Verbraucher:innen haben bereits negative Erfahrungen mit Online-Kundenpostfächern gemacht.102
der Verbraucher:innen finden, dass Unternehmen Webseiten nicht so gestalten dürfen, dass dadurch Einfluss auf die Entscheidungen von Menschen genommen wird.103